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Frank Spilker (Foto: Juliane Wener)

„Was hat Dich bloß so ruiniert?“ hat mir das meiste Geld eingebracht

Frank Spilker war einer der Protagonisten der „Hamburger Schule“ – als Sänger und Texter der Band Die Sterne. Stücke wie „Was hat Dich bloß so ruiniert“, „Die Interessanten“ oder „Big in Berlin“ liefen in den 90er Jahren auf jeder Uni-Party und in jedem Indie-Club. Während andere von der Bildfläche verschwanden, hat er die Musik seiner Band weiterentwickelt. 2014 präsentierten die Sterne ihr elftes Studioalbum „Flucht in die Flucht“. Zudem hat Spilker seine Künstlerexistenz um ein weiteres Genre ergänzt. Er veröffentlichte zuletzt den Roman „Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen“ (Verlag Hoffmann und Campe). Das Buch erzählt eine Geschichte vom Niedergang. Die Freundin ist weg, sein Grafikbüro in Hamburg pleite – Thomas Troppelmann wächst alles über den Kopf.

Frank Spilker, wann hast Du mit Deiner Musik zum ersten Mal Geld verdient?
Ich vermute, als wir in den Neunzigern von einem Major gesignt wurden und die ersten Vorschüsse flossen. Das ist in der Pop-Musik wie in anderen Branchen: Da kriegt man als Band schon mal vorab Geld, weil einem jemand zutraut, auf langer Strecke wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Damals verdienten wir so viel Geld, wie man das in einem vergleichbaren bürgerlichen Beruf wohl auch bekommen hätte.

Wie war die Kassenlage Deiner Band Die Sterne vor den goldenen Jahren?Vorher haben wir nicht so viel verdient. Es war eigentlich immer ein Von-der-Hand-in-den-Mund-leben. Als wir 1991 einmal einen Preis in Höhe von 10.000 Mark erhielten, haben wir das Geld komplett in die Produktion gesteckt. Das war so ein ganz klassischer Talent Award, den wir gerne mitgenommen haben, um die nächste Platte besser zu machen.

Was warfen denn die ersten Konzerte ab?
Wir haben schon ziemlich lange live gespielt, bevor das rentabel wurde – fast zwei Jahre. Es waren in den Anfängen eher so Plus-Minus-Null-Geschichten. Man versuchte halt, uns als Band das Touren zu ermöglichen. In die Gewinnzone kommt man bei einem Konzert mit normalen Eintrittspreisen allerdings erst ab 100 Leuten. Und da muss man erstmal hinkommen, dass man überregional mehr als 100 zum Konzert lockt. Dafür muss man mehr als nur in der Szene-Presse erwähnt werden.

Was habt Ihr auf Euren ersten Touren gemacht, damit die Gesamtrechnung aufging?
Wir haben in WGs auf Gästebetten geschlafen, genauso wie das junge Bands heutzutage auch machen. Wir haben es damals irgendwie über die Bühne gekriegt, ohne drauf zu zahlen, und konnten vielleicht auch noch etwas Taschengeld mitnehmen.

Wie sehr hat Euch das geholfen, dass Ihr zu Beginn der 90er Jahre zur „Hamburger Schule“ gezählt wurdet?
Es gab irgendwann einen Umschwung der öffentlichen Meinung, vor allem in der Musikbranche. Als wir angefangen haben, zwischen 1989 und 1991, ist deutschsprachige Indie-Pop-Musik nicht mal mit der Kneifzange angefasst worden. Es war ausgeschlossen, dass da jemand investiert hätte. Erst dadurch, dass der TV-Sender VIVA das Thema ab 1994 aufgriff und Bands wie wir dort gespielt wurden, ist die Stimmung komplett umgekippt. Damals entstand sowohl der Hype um deutschsprachigen HipHop wie eben auch um die Hamburger Schule.

Als Ihr beim Major-Label am Tisch saßt, um Euren Plattenvertrag zu unterschreiben, hattet Ihr da einen Finanzberater dabei?
Unsere ersten drei Platten haben wir zusammen mit unserem damaligen Label L’âge-d’Or abgewickelt. Die Mitarbeiter des Labels hatten die Funktion des Managements eingenommen. Sie waren zu 20 Prozent beteiligt und haben dafür die Deals gemacht.

Wie wurde das Geld innerhalb der Band verteilt?
Am Anfang haben wir das konsequent so gemacht, dass es zu gleichen Teilen unter allen verteilt wurde. Als die Sache größer wurde, haben wir angefangen, das mit den Autorenrechten anders zu regeln. Wir empfanden das als gerechter, die Textarbeit oder die Lieder, die man nicht zu viert geschrieben hatte, separat zu entlohnen.

Welcher Song hat Dir das meiste Geld beschert?
Vermutlich war das „Was hat Dich bloß so ruiniert“. Heutzutage kommt nicht mehr so viel für dieses Stück, weil es nur noch ab und zu im Radio läuft. Wir veröffentlichen ja nach wie vor Platten, da überwiegen dort die neueren Sachen. Was genau einem ein einzelnes Stück gebracht hat, ist aber nicht so leicht zu sagen. Ich habe einen Verleger, der sich darum kümmert, und der schlüsselt mir das immer pro Quartal auf.

In der ersten Phase einer Band gibt es vermutlich nichts Langweiligeres, als sich um die Steuer zu kümmern. Wie hast Du das damals geregelt?
Ich hatte zum Glück einen Fachmann in der erweiterten Familie. Er ist seit 1994 Steuerberater und hat sich damals darum gekümmert. Ich habe gelernt, Quittungen zu sortieren und keine zu verschlampen. Das ist ja immer das größte Problem, wenn man bestimmte Kosten nicht einreichen kann. Quartalsweise darauf zu achten, dass man die Kontoauszüge und die Quittungen einigermaßen hintereinander abheftet – darin bin ich im Laufe der Jahre immer besser geworden.

Wie hat sich das Musikerleben in den vergangenen Jahren verändert?
Das ist schwierig zu sagen, weil ich ja ein Einzelfall bin. Es gibt meinen persönlichen Karriereverlauf, den der Band Die Sterne – und dann gibt es noch die gesamte Verschlechterung in diesem Segment. Es ist eine Branche, deren Umsätze in den letzten 15 Jahren jährlich um 20 Prozent zurückgegangen sind. Da ist es praktisch unmöglich, dass sie weiter gut bezahlte Musiker hervorbringt. In den 80er Jahren konnte man aber auch nur davon leben, wenn man in der Top-10 der Charts war. Die Neunziger waren eine Ausnahme – eine Goldgräberphase.

Wovon lebst Du dann heute?
Die Hauptumsätze sind heutzutage nicht mehr die Plattenverkäufe, sondern Konzerte. Dort sind die Einnahmen unverändert geblieben. Und wir sind zum Glück eine Band, die live sehr gut funktioniert und einen recht guten Ruf genießt. Die Sterne sind also nach wie vor meine Haupteinnahmequelle – neben dem Schreiben und sonstigen Jobs. Es ist in den letzten zehn Jahren allerdings immer mehr so geworden, dass ich nicht mehr alleine von der Band leben kann. Das war in den 90er und frühen 00er Jahren noch gut möglich.

Du hast 2013 Dein erstes Buch „Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen“ veröffentlicht. Ist das eine Sache, die Du weiter verfolgen wirst?
Das ist etwas, was ich nicht alleine entscheide. Die Frage ist, ob Angebote von Verlagen kommen und wie viel Geld dabei rumkommt. Das ist dann Verhandlungssache wie in der Musikindustrie, abhängig von den Verkäufen. Ich werde aber ganz sicher zunehmend journalistisch arbeiten – als Musikjournalist.

Als Sänger der Sterne trägst Du Deine Texte bei Konzerten vor, als Autor bei Lesungen…
Es gibt viele Gemeinsamkeiten und Unterschiede als Künstler – in der Produktion und Rezeption. Es hat sich zuletzt gezeigt, dass es Sinn macht, Bücher auf verschiedenen Ebenen zu vermarkten, die Popularität auszunutzen, die jemand als Musiker hat. Das garantiert eine gewisse Live-Präsenz und die Möglichkeit, Lesungen zu machen. Der Glaube an diese Synergieeffekte ist auch mein Vorteil. Man kann sagen: Seit den literarischen Erfolgen von Sven Regener ist das verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.

Wie läuft es bislang auf Deiner Lesetour?
Ich komme gerade zum Beispiel von einer Lesung in Kärnten. Von meinem Gefühl her erreiche ich vornehmlich die Leute, die mich sowieso schon kennen. Darüber hinaus hat es nicht so richtig geklappt. Man könnte sagen: Der Erfolg ist nicht über die Indie-Klientel hinaus geschwappt, die mich sowieso als Texter mochte. Auch wenn erkennbar ist, dass hinter allem dieselbe Person steht, heißt das noch lange nicht, dass auch alles gleich gut funktioniert.

Kriegst Du als erfolgreicher Texter eigentlich Angebote, Lieder für andere Künstler zu schreiben?
Ja, das habe ich auch schon gemacht, aber das hat bei mir nicht so richtig funktioniert. Ich habe einen Spilker-Duktus, der so persönlich ist, dass ich kein guter Texter für andere sein kann. Es ist eher mal so, dass andere Künstler einen alten Sterne-Song covern. Es ist ja auch nicht so, dass die Band so bekannt ist, als dass das ein großes Problem wäre. Wenn jemand mit einer Major-Produktion an den Markt herangehen würde, würden es viele Leute gar nicht merken.

Hast Du ein aktuelles Beispiel dafür?
Gerade ist eine Platte rausgekommen, auf der ein Mädchenchor „Universal Tellerwäscher“ covert. Und dann gibt es noch „Was hat Dich bloß so ruiniert“ von einer Goth-Metal-Band. Klingt beides irgendwie komisch, aber ich kann so einem Transfer durchaus etwas abgewinnen.

Einmal zusammen gefasst: Deine Karriere als Musiker hat Dich also nicht – ruiniert?
Noch nicht (lacht). Wenn man sich so eine Musikerkarriere mal mit Vernunft betrachtet, kann man es natürlich viel leichter haben. Man macht das aber natürlich nicht, weil man sich überlegt hat, dass das die beste Entscheidung für ein gutes Einkommen ist. Indie-Musiker glauben auch selten, dass das ein leichter Weg zu viel Geld ist. Ich freue mich, dass ich diesen Job immer noch machen kann, obwohl es so schwierig geworden ist, in dieser Branche Geld zu verdienen.

Frank Spilker: http://spilkerfrank.tumblr.com
Die Sterne: http://www.diesterne.de