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Das Finanzamt

„Wir wollen nur Ihr Bestes. Ihr Geld. Für Sie!“

medienvorsorge.de hat in einer erstmaligen bundesweiten Umfrage die Leiter aller deutschen Finanzämter befragt, ob es in den Räumen der Behörde Kunstausstellungen gibt, ob kulturelle Veranstaltungen von den Beamten gemeinsam besucht werden bzw. ob es ein Budget für Kunst und Kultur gibt. Knapp 30% der Finanzämter beantworteten den aus zehn Fragen bestehenden Fragebogen, der zusammen mit einem Studententeam der „Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht“ verschickt wurde. Wenn man bedenkt, dass die Finanzämter aus Hamburg aufgrund von Überlastung keine Zeit hatten, die zehn Fragen anzukreuzen und Finanzämter aus Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Thüringen erst gar nicht antworteten, kein schlechter Schnitt. Mit den Chefs der Oberfinanzdirektion (in Bayern: Bayerisches Landesamt für Steuern) Rheinland, Herrn Ulrich Müting, und Bayern, Herrn Dr. Roland Jüptner sprach medienvorsorge.de über das Ergebnis in den beiden Bundesländern und das Verhältnis von Finanzbeamten zu Künstlern. Die beiden Bundesländer zeichneten sich mit der höchsten Teilnahme an der Fragebogenaktion aus. Weiterhin ragten die beiden Regionen hinsichtlich kultureller Aktivität hervor.

Herr Dr. Jüptner, wie kommt es, dass die Finanzämter in Bayern kulturell so aktiv sind? Diversen Veröffentlichungen auf Internetseiten können Informationen zu Kunstveranstaltungen entnommen werden und Ihre Behörde veröffentlichte die Broschüre „Steuertipps für Künstler.“
Dr. Jüptner: Die Steuerverwaltung in Bayern versteht sich als Dienstleister. Steuerzahlen ist eine Last, wir werden daraus keine Lust machen können. Aber wir wollen es dem ehrlichen Steuerzahler so leicht und so angenehm wie möglich machen. Dazu gehört, dass wir uns für die Steuerbürger, unsere „Kunden“ öffnen. Um Berührungsängste abzubauen und den Weg zu bereiten, den Kontakt mit den ehrlichen Steuerbürgern im Sinne einer Compliance-Strategie fair und serviceorientiert zu gestalten. Dazu gehören Service-Center an allen Finanzämtern. Dazu gehört aber auch aktive Öffentlichkeitsarbeit von Pressearbeit über Info-Veranstaltungen bis hin zu Kunstveranstaltungen im Finanzamt. Wir wollen, dass der Steuerbürger das Finanzamt auch positiv erleben kann, trotz Steuerlast. Wir wollen zeigen, dass sich unser einnehmendes Wesen nicht nur auf die Steuereinnahmen erstreckt. 

Nehmen Sie, als Aufsichtsbehörde der Finanzämter, Einfluss auf die kulturellen Aktivitäten der einzelnen Finanzämter oder bleibt es dem jeweiligen Vorsteher vorbehalten?
Müting: Bei uns entscheiden die Finanzämter eigenständig über ihre kulturellen Aktivitäten. 

Dr. Jüptner: Wir nehmen insoweit Einfluss, als wir sagen: Macht so etwas! Wir wollen das! Wir unterstützen das! Einfluss auf die einzelnen Veranstaltungen gibt es bei uns allerdings auch nicht; das können die Amtsleiterinnen und Amtsleiter vor Ort selbst am Besten. So kann auf die örtlichen Besonderheiten Rücksicht genommen werden. Das reicht von Aktivitäten zu Weihnachten („Das Finanzamt als Adventskalender“) über Ausstellungen mit örtlichen Künstlern bis hin zu Lesungen oder – in unserem einzigen Finanzamt mit Paternoster – zum „Theaterstückchen“ im fahrenden Paternoster. 

Herr Müting, das größte Bundesland muss sich hinter Bayern keineswegs verstecken. So wird nach Auskunft der antwortenden Finanzämter aus Nordrhein-Westfalen in knapp 90% der Behörden Kunst in öffentlichen Räumen ausgestellt. Was sagen eigentlich die Finanzbeamten, die in der Behörde arbeiten dazu?
Müting: Die in den Behörden Beschäftigten begrüßen die Ausstellungen als eine gute Form der Außendarstellung und als Bereicherung im Alltag ihres Finanzamtes. 

Unternehmen, die ihre bürgerschaftliche Pflicht ernst nehmen, investieren einen Teil ihres Erfolges in die Bereiche Soziales, Wissenschaft und Kultur. Das Zauberwort heisst „Corporate Cultural Responsibility“. In Ihren Bezirken gibt es nach Auskunft der Vorsteher lediglich ein Finanzamt, was über ein Kunstbudget verfügt. Warum treten nicht auch ihre Behörden für die Interessen der Gemeinschaft ein und unterstützen den Sektor Kultur finanziell bzw. legt einen Kunstpreis auf?
Dr. Jüptner: Die Antwort ist so kurz wie ernüchternd: Wir haben dafür keinen Haushaltstitel. Und ich sage ausdrücklich: Leider!

Müting: Unserer Finanzbehörde stehen, anders als den Unternehmen in der freien Wirtschaft, für derartige Zwecke auch keine Gelder zur Verfügung. 

Wie werden die Kunstausstellungen in der Behörde dann eigentlich finanziert, wenn Sie keine Gelder zur Verfügung haben?
Müting: Bei uns stellen die einzelnen Behörden lediglich die Räumlichkeiten für diese Kunstausstellungen zur Verfügung. Weitere Kosten fallen für die Finanzverwaltung nicht an. Die Künstler sind unter Umständen bereit, weitere Kosten selber zu tragen.

Dr. Jüptner: Kunstveranstaltungen in unseren Finanzämtern sind ein Gemeinschaftswerk der Amtsleitung, der Personalvertretung und der Beschäftigten, die Freizeit, sachliche und manchmal auch finanzielle Mittel aufbringen, und der Künstler, der für die haushalterischen Nöte der Finanzämter großes Verständnis aufbringt. Leider können wir als Steuerverwaltung die Möglichkeiten eines Sponsorings aus verständlichen Gründen nicht nutzen. 

Was versteht man unter „Kunst am Bau“, wie hoch ist der Anteil und wer entscheidet, welche Form von Kunst gewählt wird? Nach unserer Umfrage haben in NRW knapp 30% und in Bayern 60% der antwortenden Finanzämter Kunst auf dem Gelände ausgestellt. Was ist mit den restlichen Finanzämtern? Wird die Kunst von den Vorstehern einfach nicht erkannt oder wurde nicht überall der Anteil eingehalten?
Dr. Jüptner: „Kunst am Bau“ ist bei Neubauten vorgesehen; hierfür sind bis zu 2% der reinen Bauwerkskosten für Aufträge an KünstlerInnen vorzusehen, soweit Zweck und Bedeutung der Gebäude dies rechtfertigen. Der Bau der Service-Center in den vergangenen zehn Jahren und eine Vielzahl von Neubauten haben erfreulicherweise viel „Kunst am Bau“ bei uns entstehen lassen, manchmal auch Kunst durch Bau. Die Auswahl, welche Kunst am Bau entsteht, erfolgt gemeinsam durch die Staatliche Bauverwaltung mit den örtlichen Finanzämtern und dem Bayerischen Landesamt für Steuern. 

Müting: Entscheidend sind bei uns immer die Haushaltsmittel. Bei Neubauten wird „Kunst am Bau“ in der Regel umgesetzt, wohingegend dies bei Altbauten nicht oder nur in geringem Umfang vorkommt. 

medienvorsorge.de will dazu beitragen, das Klima zwischen der Behörde und den Medientreibenden zu verbessern und zeigt daher die verschiedenen Seiten und versucht, aufzuklären. Ein Projekt mit positiver Aussicht oder sind die beteiligten Parteien – Beamte und Künstler – einfach zu unterschiedlich, dass dies erfolgreich sein kann?
Müting: Nein, die Zielrichtung von medienvorsorge.de halte ich für ausgesprochen gut. Ich glaube, dass es keine unüberwindbaren Gegensätze zwischen Künstlern und Finanzverwaltung gibt. Die vielfältigen Aktivitäten in den Finanzämtern haben dies bestätigt. 

Dr. Jüptner: Ich will mit den positiven Erfahrungen aus Bayern antworten: Finanzämter und Künstler können gut miteinander.

Bei Künstlern handelt es sich um eine Sparte, bei der man nicht wie z.B. bei Metzgereien Kennzahlen vergleichen kann. Gibt es spezielle Sachbearbeiter oder Betriebsprüfer in den Behörden, die sich mit Künstlern und ihren Besonderheiten auskennen?
Dr. Jüptner: Den „Künstler-Steuerexperten“ schlechthin gibt es bei uns nicht. Aber wir haben für Einzelfragen durchaus unsere Spezialisten. Etwa für die Besteuerung ausländischer Künstler, die im Inland tätig werden. Oder für die Bewertung von Kunst, etwa wenn Kunstgegenstände vererbt oder verschenkt werden, manchmal leider aber auch, wenn Kunstgegenstände für die Steuerzahlung verwertet werden (müssen).

Müting: Besondere Experten für die Besteuerung von Künstlern gibt es in unseren Finanzämtern nicht. 

Howard Carpendale sagte in einem Interview bei medienvorsorge.de, dass das Finanzamt ein Imageproblem habe. Viele Werbefachleute, mit denen medienvorsorge.de in Kontakt steht, sehen das genauso und werteten den Fragebogen als Chance der Finanzbehörde, sich positiv vor den Medientreibenden darzustellen. Ist das Thema „Öffentlichkeitsarbeit“ ein Thema in der Behörde?
Müting: Ja, das ist in der Finanzverwaltung ein großes Thema. So haben wir vielfältige Medienkontakte. Lediglich die Materie, über die wir berichten können, ist oftmals sehr spröde.

Dr. Jüptner: Aus dem Schatten, den das überkommene Image der Steuerverwaltung geworfen hat, sind wir als Dienstleister für die ehrlichen Steuerpflichtigen herausgetreten. Im Sonnenlicht stehen wir deswegen aber leider noch nicht. Das liegt sicherlich einerseits an der Materie. Die „ausgebende“ Verwaltung tut sich leichter damit, bei den Bürgern Sympathien zu erwerben: Sie verteilt Wohltaten. Wir, die einnehmende Verwaltung, tun uns da etwas schwer: wir nehmen Geld weg, das oft sauer verdient ist. Das liegt andererseits aber auch daran, dass unsere Öffentlichkeitsarbeit noch nicht rund läuft. Wir müssen unsere „Image-Kampagne“ mit Bordmittel betreiben; Mittel für Öffentlichkeitsarbeit stehen uns nur in geringem Umfang zur Verfügung. Und wenn einmal eine große Kampagne – z.B. in Bayern die Verlosung eines ELSTER-Minis – läuft, schlägt uns durchaus auch noch Unverständnis entgegen. Und schließlich gefallen sich auch manchmal Medien darin, die Vorurteile – das überkommene Image – zu bedienen, weil man auf billigen Beifall oder Schadenfreude setzt. Dabei wird gerne übersehen, dass wir Kundenbefragungen an den Finanzämtern durchführen. Und dass die ehrlichen Steuerbürger, die mit den Finanzämtern in Bayern unmittelbar zu tun haben, ausgedrückt in Schulnoten von eins bis sechs, ihre Gesamtzufriedenheit mit ihm Durchschnitt 1,45 bewertet haben. 

Wie sieht in Ihren Augen die ideale Steuererklärung aus?
Müting: Der Erklärungsvordruck sollte klar, einfach und verständlich sein, die ausgefüllte Erklärung des Steuerbürgers richtig und vollständig. 

Dr. Jüptner: Wenn die Frage auf die vom Steuerbürger abgegebene Steuererklärung zielt sage auch ich: vollständig und richtig! Wenn die Frage aber darauf zielt, wie der Steuererklärungsvordruck aussehen soll, dann sage ich: Die ideale Steuererklärung ist eine vorausgefüllte Steuererklärung. Aber zunächst vorweg: Auf einen Bierdeckel wird die Erklärung nicht passen. Es sei denn, es wäre ein ziemlich großer Bierdeckel. Die aktuellen Vordrucke sind, trotz vieler Verbesserungen in der jüngeren Zeit, immer noch sehr „verwaltungslastig“, sowohl in der Sprache, dem Aufbau wie in dem Ziel, die Erklärung für das interne Steuerverwaltungsverfahren „gängig“ zu machen. Daran werden wir kurzfristig auch nichts ändern können. Das Ziel muss es daher sein, die Vordrucke – ggf. unter Zuhilfenahme von Erläuterungstexten, wie dies etwa beim Ausfüllen des Vordrucks bei ELSTER-Formular möglich ist – noch klarer, einfacher und verständlicher zu machen. Und zwar so, dass sie bei normalen Lebenslagen ohne ein Studium der Steuerrechtswissenschaft oder Betriebswirtschaft ausgefüllt werden können. Bei komplizierten Lebenslagen ist es aber zumutbar, steuerfachlichen Rat in Anspruch zu nehmen. Mittelfristig muss das Ziel sein, dem Steuerbürger so viel Daten wie möglich bereits in erklärungsgeeigneter Form zur Verfügung zu stellen – sei es durch web-basierten Abruf, sei es durch eine (teilweise) vorausgefüllte Steuererklärung -, dass er im besten Fall die „normale“ Steuererklärung nicht mehr ausfüllen, sondern nur noch unterschreiben muss. Und das am besten „elektronisch“ – wie das heute bei der ELSTER-Erklärung ja auch schon möglich ist. 

Machen Sie Ihre Steuererklärungen selbst oder brauchen Sie dafür auch einen Steuerberater?
Dr. Jüptner: Da ich kein Freund komplizierter Geldanlagen oder schwieriger Gestaltungsmodelle bin und das Steuerrecht auch ansonsten nicht bis an seine Grenzen austeste, kann ich meine Steuererklärung noch selber ausfüllen – natürlich am PC mit ELSTER-Formular.

Müting: Auch ich erstelle meine Steuererklärung selbst und gebe sie mit ELSTER ab. 

Wenn Sie eine Woche Finanzminister wären – was würden Sie ändern?
Müting: Die Frage ist so utopisch, dass sie meine Vorstellung übersteigt.

Dr. Jüptner: Unter der Annahme, dass die realen Rahmenbedingungen, Zwänge und Notwendigkeiten für einen Finanzminister blieben, könnte ich nichts ändern, anders machen. Jede andere Annahme verlangte sehr viel Phantasie, die ich nicht habe. 

Vergleichen Sie Ihre Tätigkeit mit derer von anderen europäischen Finanzämtern? Wie stehen wir ihrer Meinung nach im Vergleich zu anderen Ländern da?
Dr. Jüptner: Die gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen eines Landes prägen auch das jeweilige Verständnis von Steuern und Steuerverwaltung. Deswegen ist es schwierig, Vergleiche zu ziehen. Aber wir schauen natürlich über die Grenzen und prüfen, ob das Eine oder Andere auch bei uns passen könnte. Aktuell haben wir uns in Österreich ein Kontingentierungsmodell angeschaut. Dessen Ziel ist es, die Abgabe von Steuererklärungen durch Steuerberater mit Kontingenten zu steuern, um die Arbeitsbelastung bei Steuerberatern und Steuerverwaltung gleichmäßiger zu verteilen. Wir pilotieren das jetzt. 

Müting: Es gibt einige europäische Länder, die uns im technischen Fortschritt und in organisatorischen Belangen voraus sind. Allerdings muss man sehen, dass das Funktionieren der Finanzverwaltung von der Kompliziertheit und Komplexität des Steuersystems abhängt. 

Hier haben Sie die Chance, das Image der deutschen Finanzämter zu verbessern. Die sind nämlich gar nicht so gemein, wie viele denken, weil …
Müting: … bei den Finanzämtern viele engagierte, hilfsbereite und freundliche Menschen tätig sind.

Dr. Jüptner: … dort einnehmend freundliche Menschen für Sie arbeiten.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten einen Werbespot für ein deutsches Finanzamt drehen. Wie sähe der aus?
Müting: Steuern sichern unsere Zukunft – Ihr Finanzamt!

Dr. Jüptner: Der Titel: „Wir wollen nur Ihr Bestes. Ihr Geld. Für Sie.“ Der Plot: 90 Sekunden mit den entsprechenden Bildern: Arbeitnehmer und Unternehmer erwirtschaften Einkommen – Eine kundenorientierte Steuerverwaltung habt den Anteil des Staates ein – Der Staat finanziert damit innere Sicherheit / äußere Sicherheit / Kindergärten / Schulen / Straßen / Krankenhäuser…

Interview: Rüdiger Schaar