- Fotograf Gerrit Starczewski im Interview mit medienvorsorge.de
Bankkaufmann auf der Überholspur
Gerrit Starczewski ist Deutschlands fleißigster Festivalfotograf. Vom Niederrhein aus fährt er jeden Sommer tausende Kilometer durch Deutschland, um zu dokumentieren, wer bei „Rock am Ring“ und Co. auf die Bühne steigt. Die wichtigsten Musikmagazine drucken seine Live-Fotos oder bringen Bilder-Galerien. Gleichzeitig verfolgt Starczewski konsequent kleinere und größere Projekte, egal ob es um Musik, Fußball oder nackte Menschen geht. Seine erfolgreichste Serie heißt „Dancing Shoes“ und machte ihn bekannt. „Die Zeit“ und „Arte“ berichteten über das Projekt, er wurde zu Stefan Raab eingeladen. Prominente Künstler wie Beth Ditto (Gossip) oder Dieter Meier (Yello) gehören zu seinen Fans. Eines der großen Geheimnisse von Starczewski: die konsequente Selbstvermarktung via Facebook.
Gerrit, kaum jemand reist so viel von Festival zu Festival, von Konzert zu Konzert wie Du. Wie dick ist Dein Stapel mit Tankquittungen am Ende eines Jahres?
Meine Spritkosten sind tatsächlich meine größte Ausgaben. Ich lebe noch auf dem Land, am Niederrhein, entsprechend komme ich bei einer Fahrt nach Köln und zurück mal eben auf 200 Kilometer. Diesen Sommer habe ich 14 Festivals fotografiert, von Amsterdam bis Zermatt. Ich lande jährlich locker bei 5.000 Euro Spritkosten plus Versicherung. Was ich schnell gelernt habe: Ich hefte nach jedem Tanken gewissenhaft meine Belege ab. Es ist wichtig, da seine Ordnung zu haben, sonst verliert man den Überblick.
Was ist Dir wichtig bei Deiner künstlerischen Tätigkeit?
Ich liebe Emotionen und Authentizität. Meine Arbeit bezeichne ich gerne als dokumentarischen Realismus. Ganz einfach gesagt: Ich dokumentiere das, was ich sehe, und fotografiere am liebsten noch analog oder auf Dia.
Gerade sind zwei Bildbände zum Thema Fußball erschienen, die Fotos von Dir enthalten. Sonst bewegst Du Dich eher im Bereich Musik…
Es war einfach fällig, meinem Lieblingsverein, dem VfL Bochum, einen eigenen Bilderband zu widmen. Das Buch heißt: „Keine Titel. Wenig Siege. Trotzdem unsere große Liebe“. In dem Werk geht es in erster Linie um die Fans, eine Ansammlung von echten Ruhrgebietsoriginalen und den letzten Kuttenträgern. Das andere Buch ist entstanden in Zusammenarbeit mit dem Kunstverlag teNeues und der „Sky“-Moderatorin Jessica Kastrop: ein Bildband im Megaformat zum 50-jährigen Jubiläum der Bundesliga. 20 Doppelseiten stammen von mir. Aktuell arbeite ich an der Fortsetzung meiner Serie „Dancing Shoes“. Mit der Ausstellung, die nur die Schuhe von Rockmusikern zeigt, war ich in der halben Welt unterwegs. Aktuell werden die Arbeiten in Johannesburg gezeigt.
Wann hast Du Dich mit Haut und Haaren dem Fotografieren verschrieben?Ich bin der klassische Autodidakt. Nach dem Abitur 2005 habe ich erstmal eine Banklehre gemacht. Mein Traum war es aber immer, von der Fotografie leben zu können. 2007 habe ich es dann einfach mal versucht. Bis heute bin ich dabei sehr idealistisch. Ich fotografiere nur das, was mir gefällt und was mich bewegt. Ich bin also kein klassischer Job-Fotograf. Viel mehr arbeite ich frei und habe mir einen immer größeren Kreis an Sammlern aufgebaut und es früh verstanden, Facebook entsprechend für mich zu nutzen. In manchen Phasen verdiene ich mehr, in anderen Phasen weniger.
Wie hast Du deine Finanzen geregelt?
Durch meine Banklehre habe ich natürlich ein paar Kenntnisse erworben, die mir in dem Bereich weiterhelfen. Es ist aber sehr hilfreich, dass meine Mutter gelernte Buchhalterin ist und sich um meine Steuersachen kümmert. Ich leiste eine gewisse Vorarbeit, sie erledigt den Rest. Mein Job nimmt inzwischen so viel Zeit in Anspruch, dass ich selbst kaum noch dazu komme. Ich bin quasi ständig unterwegs: neue Bilder machen, meine Projekte vermarkten, das Netzwerk aufbauen. Jetzt, wo es läuft, gilt es am Ball zu bleiben. Gerade in den Anfangsjahren, als ich noch Verluste machte, legte man mir immer nahe, ich betreibe nur Liebhaberei. Das hat mich arg gekränkt, weil da schon damals so viel Arbeit und Herzblut drin steckte. Mir war immer klar: Namen und Erträge muss man sich über Jahre aufbauen.
Du bist immer noch relativ jung, 27 Jahre alt: Ist für Dich Altersvorsorge ein Thema – oder noch ganz weit weg?
Für einen Künstler ist es schwierig, entsprechend vorzusorgen. Auch lässt die Zahlungsmoral der Kunden oftmals zu wünschen übrig. Ich könnte mich sehr mit der Idee eines Fixeinkommens anfreunden. Man agiert als Künstler anders, wenn man eine finanzielle Gewissheit hat. Zurzeit habe ich aber immer noch Phasen, in denen ich froh bin, meine monatlichen Fixkosten berappen zu können und bei Plus-Minus-Null zu landen. Ich bin ansonsten Mitglied in der KSK, zahle freiwillig in die Arbeitslosenversicherung ein. Wenn ich mich für eine Vorsorge entscheiden müsste, würde ich es über Aktien machen. Es ist zwar immer mit Risiko verbunden, aber scheint mir die beste Chance, verpasste Monate aufzuholen. Und meine Kunst wird hoffentlich auch noch zu Lebzeiten ihren Wert steigern.
Homepage von Gerrit Starczweski: www.star-photo.de