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Christian Schumacher

Regisseur, Autor und Vorspannproduzent Christian Schumacher (45) aus [...]

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(Bild: Universal Music)

»Man sollte im Hinblick auf die Finanzen sein Ego an die Seite tun und sich unbedingt einen Steuerberater suchen.«

Einen Termin mit Ulf Zick zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Vollkommen verständlicherweise. Als Managing Director von Universal Music Deutschland hat er jede Menge zu tun. Das war davor auch schon so. Egal ob beim Streaminganbieter Spotify oder als Chef seines eigenen Labels Ulftone Music. Im Interview blickt Ulf Zick auf seine Anfänge im Musikgeschäft zurück und erklärt, warum eine Finanzprüfung gar nicht schlecht sein muss und was ihn an dem Begriff »Work-Life-Balance« stört.

Wie kommt man vom Spielen der Gitarre zum Organisieren von Konzerten?
Die Antwort ist nicht ganz so einfach, schwierig ist sie aber auch nicht. Ich habe in Hannover schon mit dem Musikmachen angefangen, dann sind wir nach Lingen in der Nähe von Münster gezogen, wo ich ein Schulpraktikum in einem Musikgeschäft gemacht habe, das Tonträger und Musikalien bereithielt. Anschließend habe ich angefangen, nach der Schule in einem Gitarrengeschäft zu arbeiten. Ich hatte zu der Zeit eine Band und mir wurde schnell klar, dass »eine Band haben« nicht nur Spielen bedeutet, sondern man auch Auftritte besorgen muss. Das hat zunächst der Besitzer des Gitarrengeschäfts für uns gemacht. Während seines Urlaubs in Norwegen hat genau der dann dort eine Band gesehen, die er gerne nach Deutschland holen wollte. Also haben er und ich uns die Arbeit geteilt und diese Band gebucht.

Wie habt ihr das damals gemacht?
Das war eigentlich total simpel. Es gab damals eine Zeitschrift, die man heute unter den Namen »Musix« kennt, in der die ganzen Konzerttermine abgedruckt waren. Hinten in dem Heft gab es ein Verzeichnis mit den Telefon- und Faxnummer von Konzertlocations. Da hat man angerufen und dem Gegenüber erzählt, wie gut diese Band ist, hat denen per Post ein Demotape geschickt, eine Woche später hat man wieder angerufen und wenn Interesse bestand, sofort einen Deal ausgemacht. Dann hat man sich eine Deutschlandkarte genommen und eine Tour geplant. So fing das an. Ich wollte dann bald auch bekanntere Künstler buchen und habe mich mit jemandem zusammengetan, der eine große deutsche Heavy-Metal-Band managte. Aus verschiedenen Gründen ging die Zusammenarbeit dann nicht weiter. Aber daraus erwuchs dann für mich dieses Bookingbusiness, mit einigen sehr erfolgreichen Tourneen – zum Beispiel für David Lindley –, aber auch die Gründung der Agentur 2 x zwei und später des Labels Ulftone Music.

Du hast Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studiert. Hast du nur geschmissen, weil du zu viel zu tun hattest oder auch weil’s langweilig war?
Ich glaube das größte Problem für mich war die extreme Schere zwischen Theorie und Praxis. Es klingt komisch, aber ich hatte das Gefühl, dass ich weiterkomme, wenn ich die Seminare besuche, die mich interessieren und die mir was bringen, aber den Rest meiner Zeit nicht damit vergeude, irgendwelche Scheine zu bekommen. Ich habe aus dem Studium alles rausgeholt, was für mich relevant war, aber Sachen, die für mich nicht in Frage kamen, habe ich ausgelassen, weil ich so ein klares Bild von dem hatte, was ich machen will. Es ist natürlich auch verlockend, wenn man von einer auf die andere Minute als Student auf Tour geht und mit Künstlern unterwegs ist – das ist ja viel spannender. Mir hat die Schule schon Spaß gemacht, das war für mich immer schon auch ein Vehikel. Ich war bis zur vierten Klasse immer total gut in der Schule. In der 5. und 6. Klasse war ich nicht mehr ganz so gut, ab der 7. dann total schlecht. Nicht, weil ich das nicht konnte, sondern weil ich lieber Skateboard gefahren bin und Schlagzeug gespielt habe. Irgendwann habe ich aber gemerkt: Wenn ich mich jetzt nicht auf die Schule konzentriere, kann es passieren, dass irgendwann mal jemand zu mir sagt: »Nee, das darfst du nicht machen, weil du den Durchschnitt dafür nicht hast.« Also habe ich mich auf den Arsch gesetzt und richtig Gas gegeben. Als es dann ab der 11. Klasse darum ging, dass man auf sein Abizeugnis einzahlt, habe ich mich bis zum Abitur wirklich darauf fokussiert, abzuliefern.

Lass uns noch mal über 2 x zwei und Ulftone Music sprechen. Was war der konkrete Anlass zu sagen: Ich mache jetzt eine Firma auf – und wie macht man das überhaupt?
Während meinem Studium habe ich ein Praktikum bei Sister Right Promotion gemacht, was damals die beste Promoagentur im Printbereich in ganz Deutschland war. Marlene Kunold war legendär in Sachen PR, ein absolutes Ausnahmetalent. Die hat es geschafft, genau das von den Medienpartnern zu bekommen, was sie wollte, aber dem Gegenüber trotzdem das Gefühl zu vermitteln, dass sie ihnen noch einen Gefallen tun würde. Einfach genial. Marlene hatte Gefallen an der Rave-Kultur gefunden, wollte nach Goa ziehen und ihre Firma verkaufen. Ich war interessiert aber der Verkauf der Firma scheiterte dann. Marlene und ich haben uns über dieses Thema nicht einigen können, denn bei solchen Sachen geht es ja auch immer um Egos und ich war damals auch alles andere als verhandlungserfahren. Letztendlich konnten wir uns nicht einigen und ich gründete meine eigene Promoagentur 2 x zwei mit einem Kollegen, der aber noch in der Gründungsphase ausschied. Die ursprüngliche Idee von 2 x zwei war, dass die Firma von zwei Jungs und zwei Mädels geführt wird. Letztendlich gründete ich dann aber alleine und Marlene stellte die Verbindungen zu Kunden her, wofür ich ihr – genau wie die ganzen Dinge, die ich von ihr gelernt habe – heute noch dankbar bin. Jemanden wie sie – auch, was den Arbeitsethos und die Power angeht – habe ich in der PR-Branche nie wieder kennengelernt. Eine beeindruckende Frau. Die Power aus dem PR-Segment war bei der Gründung von Ulftone natürlich von Vorteil. Die meisten Indielabels signen Künstler, aber keiner bekommt es mit. Da ich aber wusste, wie PR und Marketing funktionieren, ging das gut. A&R war ich zwar nicht, aber weil ich ein Gefühl für Musik hatte und gut mit Leuten umgehen konnte, kann man auch diesen Job gut machen. Der einzige Punkt, von dem ich absolut keine Ahnung hatte und was ich eher nach Gusto gehandhabt habe, war natürlich das Business. Ich glaube, niemand ist für den Moment ready, in dem ein Vertrieb zu dir sagt: »Das mit deinem Label finden wir eine gute Idee, hier sind X-Tausend-Mark!« Mit solchen Moves und solchen Summen umzugehen musste ich über die Jahre erst lernen – und das war nicht immer nur angenehm. Aber da muss mal halt durch. (lacht)

Dein Arbeitsalltag hat sich doch sicher auch verändert, oder?
So einen Job sollte man nicht machen, wenn man an einer sogenannten Work-Life-Balance interessiert ist. Diese Art von Karriere ist nur etwas für Verrückte mit absolutem Hang zur Selbstaufgabe. So ein Job bedeutet: 365 Tage im Jahr, 7 Tage die Woche und 24 Stunden am Tag Attacke. Urlaub und Telefon aus geht da nicht.

Aber das gibt einem ja auch etwas zurück, oder?
Extrem viel sogar, ja. Bis auf meinem Zivildienst – der total wichtig war – habe ich noch keinen Tag in meinem Leben etwas gemacht, das ich nicht wollte.

Warum war der Zivildienst so wichtig?
Ich kam gerade, zugegeben sehr blauäugig, aus der Schule und dachte, mir gehört die Welt. Aber im Zivildienst, den ich im chirurgischen OP gemacht habe, musste ich plötzlich um 6 Uhr 15 aufstehen, hatte danach 8 Stunden Dienst und 15 Minuten Frühstücks- und 30 Minuten Mittagspause. An einem Freitag waren um 11 Uhr alle Operationen durch und ich hatte um 12 Uhr alle Säle geputzt. Also bin ich zu meinem Vorgesetzten gegangen und meinte, dass ich die Arbeit ja erledigt hätte und fragte, ob ich nun nach Hause gehen könnte. Aber er meinte: »Nein, das geht nicht. Such dir was zu tun.« Weil ich wusste, dass das von nun an wohl öfter so laufen würde, habe ich mir am nächsten Tag ein Buch mitgebracht und nach getaner Arbeit in meine Zivikammer gesetzt. Als mein Vorgesetzter vorbeikam, meinte er, dass das nicht ginge, weil die vorbeikommenden Ärzte sonst denken würden, dass ich nichts zu tun hätte. Als ich meinte: »Ja, aber wir haben ja auch nichts zu tun!« entgegnete er: »Das mag sein, aber so darf es nicht aussehen – denn sonst bekommen wir auch mehr zu tun.« Ich bin bis heute jederzeit dazu bereit, viel zu arbeiten, wenn es begründet ist und Sinn macht – aber diese Art von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen haben mich damals schon wütend gemacht. Ich glaube, es war total wichtig so etwas zu erfahren, weil mir da klar wurde: »Da steht mir jemand gegenüber, der mir intellektuell oder sonst wie nicht das Wasser reichen kann, aber trotzdem das Sagen hat und gegen den ich mich nicht auflehnen kann – scheißegal, wer ich bin oder was für ein gutes Abi ich gerade gemacht habe.« Das war ein extrem gutes Learning.

Zurück zu Ulftone Music. Hast du dich neben der eigentlichen Veröffentlichung der Musik auch selbst um die Steuererklärung gekümmert?
Ich hatte von Anfang an einen Steuerberater. Der erste war gut, aber dann wurde mir ein anderer empfohlen. Danach begann eine Reihe slapstickartiger Aktionen…dieser Steuerberater starb nämlich unvermittelt. Eine Woche später bekam ich einen Brief der Steuerberaterkammer Berlin, dass er nicht nur verstorben, sondern leider auch sein Büro mit meinen ganzen Unterlagen abgebrannt sei. Also habe ich mir über Connections einen neuen Steuerberater gesucht – und gelernt, dass man sich seinen Steuerberater nicht danach aussuchen sollte, wie gut man sich mit dem versteht, sondern was er in dem Bereich, den man macht, kann. Dieser Steuerberater war nämlich nett und cool und hat immer alles abgenickt, aber ich habe mich irgendwann gefragt, wie wir trotz steigender Umsätze und relativ gleichbleibender Kosten immer weniger Geld verdient haben. Als es dann zu einer Steuerprüfung kam, stellte sich plötzlich heraus, dass wir eine große Summe an Steuern zurückbekommen sollten. Mir war das total neu, weil ich dachte, dass es nur andersherum laufen würde. Es war nämlich so, dass der Steuerberater die Dealstruktur mit unserem damaligen Vertrieb nicht richtig verstanden hatte und ich auf jeden Euro, den ich bekommen habe, zweimal Steuern bezahlen musste. Die Vorschüsse, die wir von unserem Vertrieb bekommen haben wurden also voll versteuert, die Betriebsabrechnungen aber auch noch – und dementsprechend bekamen wir eine schöne Menge Geld zurück. Dass eine Steuerprüfung sich auch für mich und nicht nur für das Finanzamt lohnen kann, hatte ich gar nicht gewusst. Viele Leute haben ja Angst vor der Steuererklärung und dem Finanzamt. Ja, aber ich habe ehrlich gesagt noch nie negative Erfahrungen mit den Finanzämtern gemacht. Die waren immer fair zu mir. Unsere allererste Steuerprüfung hatten wir schon sehr früh. Ich muss auch sagen, dass ich das nie als Bedrohung empfunden habe. Dieser Prüfer saß bei uns im Büro, war sehr interessiert an unserer Arbeit und ich habe total viel von dem gelernt. Wie gesagt: Diese Geschichte mit der Rückzahlung vom Finanzamt nach der Steuerprüfung ist da exemplarisch. Ich erzähle die immer gerne, weil ich es einfach toll finde, dass so etwas in Deutschland möglich ist. Ich habe jetzt auch seit zehn Jahren denselben Steuerberater und der ist genau das, was ich immer wollte: Jemand, der nicht alles nur abnickt, sondern auch nachfragt und nervt und dadurch trainiert. Keiner hat Bock auf Buchhaltung, aber wenn man erklärt bekommt, was die Konsequenzen sind, bekommt man ein Auge dafür und macht es auch vernünftig.

Als versierter Musikmanager hast du über die Jahre viele Erfahrungen gesammelt. Welchen Tipp kannst du neuen Künstlern geben, wenn es um Verträge, Steuern usw. geht?
Die meisten Musiker sind gottseidank Musiker. Alles, was nichts mit der Kunst zu tun hat, geht links rein und rechts raus. Wie soll das auch anders gehen? Du kannst ja fast nie genialer Musiker und Zahlentyp gleichzeitig sein. Außerdem sind insbesondere Menschen ja gut da drin, nicht zuzugeben, wenn sie von etwas keine Ahnung haben. Aber man sollte im Hinblick auf die Finanzen sein Ego an die Seite tun und sich unbedingt einen Steuerberater suchen – vor allem einen, der das Business kennt. Außerdem muss man seine Zahlen unbedingt selber verstehen und sich nicht auf Management oder Berater verlassen. Denn wenn am Ende jemand gepfändet wird oder in den Knast muss, dann du.

Noch kurz zu deinem Job bei Universal. Man liest oft: »Ulf Zick berichtet aus Berlin an Frank Briegmann« – was heißt das eigentlich genau?
Ich bin für das gesamte internationale Geschäft von Universal Music Deutschland, also alle Veröffentlichungen internationaler Künstler für unseren Markt hier, zuständig. Frontline genauso wie Katalog – also wirklich von ABBA bis Zappa, wie man immer so schön sagt. Was witzig ist, weil ja auch wirklich beide Acts bei uns sind. Ich kümmere mich mit meinem Team darum, dieses Repertoire optimal zu vermarkten und auszuwerten. Das streckt sich von totalen Newcomern wie einem Dean Lewis, den wir innerhalb von kürzester Zeit in die Top 10 der deutschen Charts gehievt haben bis zu einer »White Album«-Reissue-Kampagne für die Beatles. Das ist ein total spannender Job.

Der beste Tipp aus dem Übergabegespräch mit deinem Vorgänger Dirk Baur?
Du wirst lachen. Es gab eigentlich gar kein Übergabegespräch. Dirk war ja maßgeblich daran beteiligt mich zu rekrutieren. Wir kennen und schätzen uns schon sehr lange und es ist cool, dass wir jetzt zusammenarbeiten können. Aber es gab nie ein Gespräch, in dem er mir erklärt hat, wie der Job geht. Ich bin auch kein Fan davon, denn ich will ja nicht seinen Job machen, sondern es selbst erleben und lernen und dann entscheiden, was für mich die richtigen Moves sind. Natürlich habe ich Dirk immer mal wieder nach seiner Meinung gefragt, die er mir auch gesagt hat, aber er stand nie hinter mir und hat mir über die Schulter geschaut. Das lief alles sehr respektvoll ab, was für einen Job wie diesen hier essentiell ist.

Du hast vorhin gesagt, dass dein Job bedeutet, 365 Tage im Jahr und 24/7 am Start zu sein. Ist es für dich noch leicht eine Work-Life-Balance zu schaffen?
Ich finde das Wort Work-Life-Balance total bescheuert, weil das impliziert, dass »Work« kein »Life« ist. Das ist natürlich nur dann der Fall, wenn du einen Job hast, der Scheiße ist. Bei mir ist es so: Ich denke jeden Tag an die Arbeit und wenn man einen Job macht, der in gewisser Art und Weise auch eine Lebensaufgabe und eine Traumverwirklichung ist, dann ist das total okay. Ich glaube, so ein Job wie meinen kann man auch nicht machen, wenn man nach Regeln wie »Ab 17 Uhr gehe ich nicht mehr ans Telefon und ab 18 Uhr checke ich keine Mails mehr.« lebt. Ich finde, man muss Überzeugungstäter sein und einen gewissen Impetus haben – wie will man sein Team sonst motivieren? Abgesehen davon sind die Grenzen ja auch verschwommen: Wenn ich jetzt in München bei einem Metallica-Konzert bin, ist das dienstlich, aber ich bin 30 Jahre lang als Fan zu den Konzerten dieser Band gegangen.

Interview: Jan Wehn